Der Online-Werbemarkt entwickelt sich rasend schnell und nicht nur die Technologien, sondern auch ihre Anbieter müssen sich ständig wandeln und neu erfinden. Auf dem Markt der Programmatic Plattformen ist einer von ihnen seit über sieben Jahren dabei. Das französische Unternehmen Tradelab, wobei ein Anteil in Besitz von Webedia ist, gilt als einer der führenden Anbieter des Programmatic Advertisings.
In den letzten zwei Jahren ist Tradelab von 65 auf 160 Mitarbeiter gewachsen und hat sein Kaufvolumen von 20 auf 50 Millionen Euro erhöht. Dies ist nicht zuletzt der gestiegenen Nachfrage, sondern auch der leistungsfähigen, einzigartigen und personalisierten Technologie, die das Programmatic Media-Buying-Unternehmen verwendet, geschuldet.
Im folgenden Interview spricht CEO und Mitbegründer Yohann Dupasquier über die Positionierung Tradelabs, der Beziehung zu Google DBM und AppNexus, seiner Erwartungshaltung gegenüber der französische Daten-Allianz „Gravity“ und wo er die Zukunft im Bereich Programmatic sieht.
Innerhalb der letzten Jahre ist die Zahl der Beschäftigten von Tradelab kräftig gestiegen. Wie ist das Unternehmen im Einzelnen organisiert?
Yohann Dupasquier: Die eine Hälfte der Mitarbeiter ist zuständig für „Produkt und Technologie“. Die andere übernimmt den Teil „Geschäft und Beratung“. Im Einzelnen widmen sich rund dreißig Mitarbeiter unserem Kundenservice. Dazu gehören die Bereiche Beratung, Strategie und Reporting. Etwa vierzig Mitarbeiter sind mit dem reinen Trading wie der Kampagnenoptimierung, dem Reporting, Traffic und der Optimierung von Tools beschäftigt. Ungefähr zwanzig widmen sich dem Thema Data wie Erfassung, beschreibende Analyse, DataViz und Business Intelligence. Fünfzig Beschäftigte sind im Bereich Technik zu Hause. Dazu gehören Data Science, Research & Development und Software. Weitere Zwanzig sind für Produkt und Plattform zuständig und nochmals zwanzig für die Support-Funktionen. Ich rechne damit, dass wir zum Jahresende ein Team von 200 Mitarbeitern sein werden.
Entlang der Wertschöpfungskette gibt es auf der Einkäuferseite bereits zahlreiche Akteure, die Programmatic aus einer Hand anbieten? Können Sie uns den Markt kurz erklären?
Yohann Dupasquier: Aktuell befinden sich verschiedene Akteure am Markt. Es gibt welche, die Technologien Dritter mieten ohne sie zu produzieren. Dazu gehören auch Trading Desks. Sie haben eine beratende und operative Funktion im Trading und sind weniger ein Technologie-Provider. Dann gibt es noch die full-stack Demand Side Plattformen (DSPs), die den Service managen und den Kunden ein integriertes Modell anbieten. Hier kommen Begriffe wie Media Buying, Optimierung und Data Assets ins Spiel. Aber sie haben es schwer oder werden es schwer haben angesichts DoubleClick Bid Manager von Google, AppNexus oder Amazon. Sie bringen viel Energie auf, um Verbindungen mit allen Marktakteuren herzustellen, um an Inventar und Daten-Lieferanten heranzukommen sowie an Data Management Plattformen (DMPs). Das sind massive und alles überschauende Infrastrukturen mit bedeutenden Kosten für die Technik, die durchaus zu einer „Bequemlichkeit“ geworden sind. Sie können auf gewisse Inventare nicht zugreifen, was eine gewichtige Einschränkung darstellt.
Und wie positionieren Sie sich hier mit Ihrem Unternehmen Tradelab?
Yohann Dupasquier: Tradelab hat sich für eine intermediäre Position entschieden. Wir arbeiten mit den besten Komponenten einer Demand Side Plattform zusammen und entwickeln darüber hinaus unsere eigenen Technologien. Letzteres tun wir, um gewisse Elemente zu ersetzen, bei denen wir einen Mehrwert schaffen können. Diese Strategie verfolgen wir in drei Bereichen: Bei der Datenumwandlung zu aussagekräftigen Informationen, bei der Optimierung von Buying-Entscheidung und bei der Vertikalisierung. Wir übernehmen auch die Technologien zur Performancesteigerung bei den Tradern. Das bedeutet Schaffung und Management von automatisierten Kampagnen und beispielsweise Vorschläge zur automatisierten Budgetvergabe.
Welche Demand Side Plattformen bevorzugt Tradelab für das Media Buying?
Yohann Dupasquier: Wir arbeiten vor allem mit APN (AppNexus), Google DBM und auch mit Amazon. AppNexus ist einer unserer langjährigen Partner. Unsere beiden Strategien stimmen einfach überein, da AppNexus technologisch sehr offen ist. Seine APIs sind erreichbar und man kann die technologischen Komponenten problemlos austauschen. Google DBM hat ebenfalls seine Strategie geöffnet, die immer mehr unserer Position entspricht. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie YouTube-Inventare und Google-Daten bedienen. Unsere Beziehung mit Amazon ist noch jung und seine technologische Öffnung noch im Aufbau. Aber es ist eine vielversprechende Partnerschaft, da Amazon einzigartige und massive Daten des E-Commerce besitzt. Wir fangen gerade erst an mit Facebook zu arbeiten. Aber auch Facebook könnte ein bedeutender Partner werden, da wir hier bald einige unsere technologischen Komponenten aktivieren könnten.
Google und Facebook nehmen einen entscheidenden Anteil des Online-Werbemarktes ein. Wie sind ihre Beziehungen zu diesen Publishern?
Yohann Dupasquier: Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Webseite, auf der die Online-Werbung erscheint, einen enormen Einfluss auf die Performance und die Erinnerung hat. Das gilt vor allem für Branding-Kampagnen. Bei einem gleichen CPT (Cost Per Thousand) bevorzugen wir den Kauf von qualitativem Kontexte anstatt Long Tails. Wir suchen nach Placements auf Seiten mit den besten Inhalten, mit den wenigsten Werbeanzeigen pro Seite und mit Inhalten, die von Journalisten erstellt wurden und keine Copy-Paste-Artikel. Wir arbeiten auch mit Brand Safety-Tools, die das Qualitäts-Scoring der Webseiten beeinflussen. Wir bevorzugen Publisher, die eine hohe Transparenz auf ihren Inventaren anbieten, also die URL zur Verfügung stellen sowie die Granularität der Seite, um diese auf Brand Safety prüfen zu können, da heikle und politisch unkorrekte Themen beispielsweise erst im Forum der Seite auftreten können. Diese Transparenz ermöglicht es uns, mit einer entschlossenen Einkaufspolitik qualitative Inventare einzukaufen.
Wie bewerten Sie die französische Daten-Allianz „Gravity“, die sich gegen die amerikanischen Riesen Google und Facebook positionieren möchte?
Yohann Dupasquier: Die Reichweite und das Volumen von Gravity sind interessant. Die Präsenz der Daten des Mobilfunkanbieters SFR und im Retail mit Fnac-Darty sind interessant. Wobei man sagen muss, dass diese Mediendaten alleine oft zu allgemein sind. Sie sagen weniger über Intentionen und Interessen der Internetnutzer aus als die Daten von Google und Facebook. Die hier angesehenen Inhalte sind nur ein schwaches Indiz ihrer tatsächlichen Kaufabsichten, wenn es sich nicht um spezifische Charakteristika handelt. Die massiv angesammelten Daten machen allerdings Vorgänge, basierend auf Deep Learning-Modellen möglich, die sehr genaue Vorhersagen zu bestimmten Zielsetzungen treffen können.
Gravity hat allerdings zweifellos eine Schwäche in Bezug auf die großen Plattformen. Diese verfügen über deduplizierte und geeignetere Cross-Device-Daten. Wenn sie wirklich zu einer Konkurrenz werden wollen, müssen die Publisher diesen Datentyp bündeln. Außerdem ist es für uns als Käufer schwieriger unsere Modelle mit bereits aggregierten Daten und entworfenen Segmenten arbeiten zu lassen. Wir brauchen Zugriff auf Rohdaten, die wir dann selber modellieren und mit anderen Datentypen vermengen können. Das ist ein effizienteres Vorgehen, um leistungsfähige Modelle zu schaffen. Wir können nachvollziehen, dass Publisher Vorbehalte haben, dies aus politischen Gründen zu öffnen, aber die Macht, die von Google und Facebook ausgeht, erlangen diese durch den Besitz von enormem Datenvolumen einzelner Nutzer. Wohingegen die Mediadaten-Anteile der Publisher oftmals zu Problemen mit der Performance oder Reichweite führen. Dies ist einer der Gründe für unsere Zusammenarbeit mit Webedia.
Webedia beteiligt sich seit 2015 an Tradelab. Welche Synergien haben Sie zusammen entwickelt?
Yohann Dupasquier: Wir arbeiten gemeinsam mit Webedia an der Entwicklung von Produkten mit hohem Mehrwert, sehr vertikalen DSPs. Gleichzeitig behalten wir unsere Unabhängigkeit bezüglich der Verwaltung und der Produkte. Diese Annäherung hat uns Zugang zu massiven Rohdaten und Vertikalen, dem Gral unseres Sektors, gegeben. Und das auf internationalem Niveau in den Bereichen Influencer, Entertainment, Gaming, Food und Travel. Vor eineinhalb Jahren haben wir die Produkte MovieLab und GameReach eingeführt, die der Movie-und Gaming-Industrie gewidmet sind. Sie beruhen auf unseren gesamten Webedia-Datenassets, um Kampagnen der 15 bedeutendsten Unternehmer in diesem Sektor zu aktivieren. Anfang 2018 werden wir ein neues Produkt vorstellen, welches sich dem Food-Sektor widmen wird.
Wie Air France, Pernod Ricard und Club Med internalisieren viele Werbekunden ihren Trading Desk. Wie passen Sie sich diesem Trend an?
Yohann Dupasquier: Wir arbeiten mit diesen drei Akteuren zusammen. Das zeigt, dass die Internalisierung oft nur partiell ist. Für sie ist es als aller erstes wichtig zu verstehen wie Programmatic funktioniert. Aber ihnen ist schnell klargeworden, dass es für einen Werbekunden schwieriger ist, solche Tools zu entwickeln als für ein spezialisiertes Unternehmen. Sie haben sich daher für ein Hybridmodell entschieden, das ihnen eine selbstständige Verwaltung ermöglicht. Hier können sie sich jederzeit an den Provider wenden, um bestimmte Themen wie Data, Algorithmen oder Trading zu vertiefen. Wir haben ein Consulting-Team aufgestellt, das für die Werbekunden verantwortlich ist, die sich für genau so ein Hybridmodell entschieden haben oder die einen Technologievertrag mit ihrer DSP internalisiert haben. Wir begleiten beispielsweise zwei wichtige Akteure des Großhandels, wobei einer davon Carrefour ist, zwei im Telekombereich und zwei weitere im Travel-Sektor: Air France und Voyages SNCF.
Wie sieht die Zukunft im Bereich Programmatic aus?
Yohann Dupasquier: In naher Zukunft werden Innovationen im Display-Bereich von Publishern zu erwarten sein um gegen das Adblocker-Phänomen anzukämpfen. Das wird von der Wiederauferstehung der nativen Werbeformate begleitet, die als weniger aufdringlich angesehen werden. Auf Seiten der Werbekunden wird die Weiterentwicklung des Viewability-Kriteriums immer wichtiger. Hierbei handelt es sich innerhalb des Programmatic Marktes um einen Qualitätsansatz, der die Herausforderungen und die Tools zur Markenerinnerung anstrebt. Hybridmodelle sind zu erwarten, die sichtbare Post-Views mit einem Model zulassen, welches einerseits sehr auf die Budgetverteilung des letzten Klicks im Konversionsprozess des Konsumenten konzentriert ist und andererseits eine gründliche Arbeit bezüglich der Markenerinnerung liefert. Zusammen ermöglicht das einen reellen Wertzuwachs der Displays. Zudem ist es sehr wahrscheinlich, dass neue Interfaces wie VR oder AR zu einer grundlegenden Transformation bei den konsumierten Inhalten führen können. Wobei die Inhaltsproduktion weiterhin durch ein Werbemodell finanziert wird und dies wird naturgemäß Programmatic sein. Aber uns bleibt noch ein wenig Zeit bevor diese Technologie bei den Endverbrauchern ankommt und dadurch eine Weiterentwicklung auf dem Werbemarkt möglich ist.
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Mareen Eichinger (PR & Kommunikation)
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