Tobi Polar im Interview: „Deutsche Raptexte gehen nicht spurlos an den Kindern vorbei.“

Mit seiner Single „Jeden Tag Geburtstag“ schickte der Stuttgarter Familien-Rapper Tobi Polar einen Gruß an alle Langweiler raus und macht einfach aus jedem Tag eine Party. Wir haben nun mit dem ehemaligen Untergrund-MC und heutigen Lehrer im Interview über die Entwicklung der Sprache und den Einfluss von Rap-Musik auf Kinder gesprochen und ihn gefragt, warum er sich mit seiner eigenen Musik heute nur noch an die ganz kleinen Hip-Hop-Fans wendet. Gerne stellen wir euch das Interview lizenzfrei zur Verfügung.

https://www.youtube.com/watch?v=XQe9IQmisws

 

Du hast einmal gesagt, du machst nicht nur Musik für Kinder, sondern auch für Eltern. Gibt es etwas, das dir im Bereich „Musik für Kinder“ fehlt?

Tobi Polar: Eigentlich fehlt mir gar nichts. Es gibt heute viele Künstler, die moderne Familienmusik machen. Ich versuche einfach nur meine eigene Note mit rein zu bringen. Die Kindermusik, mit der ich groß geworden bin, hatte selbstverständlich auch ihre Berechtigung. Nur klingt sie heute leider aus der Zeit gefallen. Die Kids hören natürlich schon früh mit, was ihre Eltern konsumieren und wollen dann nicht schlechte Midi-Orgeln mit stupiden Texten, die sie nicht ernst nehmen. Auch die Eltern von heute wollen damit in der Regel nicht mehr acht Stunden auf der Autofahrt nach Italien beschallt werden. Mit meiner Musik verbinde ich kluge, coole Texte mit State-Of-The-Art-Produktionen. So sind alle gut unterhalten und trotzdem bleiben die Themen und die Ausdrücke kindgerecht.

Mit deiner letzten Single „Jeden Tag Geburtstag“ schickst du einen Gruß an alle Langweiler raus und machst einfach jeden Tag Party. Wie bist du auf die Idee gekommen, einen Geburtstagssong zu rappen?

Tobi Polar: Ich habe lange als DJ im Club Platten aufgelegt und oft kamen Gäste um Mitternacht zu mir und wünschten sich einen Geburtstagssong. Da ich bevorzugt Rapmusik auflege, blieb da irgendwie immer nur „In Da Club“ von 50 Cent und die Nummer ist mittlerweile leider stark abgenutzt. Ich meine, Klassiker bleibt Klassiker, aber ich wollte mit „Jeden Tag Geburtstag“ ein Lied schreiben, das sowohl Club-DJs eine frische Alternative bietet, als auch an Kindergeburtstagen für gute Laune sorgen kann. Ich behaupte in aller Bescheidenheit: Das ist mir ganz gut gelungen.

Vom Untergrund-Freestyle-Champion zum Familien-Rapper: Woher kam dein Sinneswandel, dich mit deiner Musik an die ganz kleinen Hip-Hop-Fans zu wenden?

Tobi Polar: Da ich selbst als Lehrer arbeite, muss ich natürlich schon schwer aufpassen, was ich in Texten sage. Rap als Kunstform ist aber oft deutlich in seinem Ausdruck und ich finde das auch nach wie vor gut, wenn ich das privat höre. Da ich keine Lust hatte, mich künstlerisch zu limitieren, habe ich sehr lange nicht mehr gerappt, sondern nur noch Platten aufgelegt und Songs für andere Künstler geschrieben. Als dann mein Freund Steffen Posner von Chimperator mit der Idee auf mich zukam, dass ich doch der perfekte Typ für spannende Kindermusik wäre, habe ich den Gedanken sofort gediggt. Im Kinderbereich fühlt sich die Reduzierung der Sprache nicht wie eine Limitierung, sondern eher wie die Kunst an sich an. Mein Produzent und Co-Autor Joni und ich haben das mittlerweile auch echt auf die Spitze getrieben und haben großen Spaß daran, Texte in jugendfreier Sprache cool und unterhaltsam zu schreiben.

Rap hat den Ruf, oft nicht sehr kinderfreundlich zu sein. Worauf achtest du beim Texten für deine Zielgruppe besonders?

Tobi Polar: Schimpfwörter sind bei uns natürlich komplett tabu. Außerdem versuchen wir auch alle, selbst unbewussten, Zweideutigkeiten zu vermeiden, die Eltern in Erklärungsnot bringen könnten. Vor ein paar Jahren war dieser Song, „Blow My Whistle“ ein riesen Hit, auch in Deutschland. Eine Freundin von mir musste ihrer Tochter damals die Bedeutung erklären, nachdem sie das die ganze Zeit mitgesungen hatte. Ich will Flo Rida wirklich nichts unterstellen, aber das er in dem Lied Werbung für die örtliche Musikschule machen wollte, geben die Lyrics einfach nicht her. Da kommt man als Eltern dann schon in doofe Situationen. Sowas passiert bei einem Tobi Polar Song safe nicht.

Fehlt dir manchmal das Freestylen als Untergrund-MC bei Battles und Meisterschaften?

Tobi Polar: Tatsächlich nein. Alles im Leben hat seine Zeit. Ich war damals wirklich gut darin, hab zweimal das höchstdotierte Battle des Landes gewonnen und wurde einmal Dritter bei den Deutschen Freestylemeisterschaften. Das hat mich in der Zeit wirklich stolz gemacht und ich habe natürlich auch die Bewunderung auf der Bühne genossen, wenn ich dem Gegner mit einer Line einen harten Punch gesetzt habe. Heute bin ich aber einfach zu alt für den Kram und die jungen Typen, die da battlen, wären wohl auch zu jung und hungrig für mich.

Als Lehrer unterrichtest du inzwischen die Nachwuchsrapper und Wortakrobaten der Zukunft. Wie stehst du zur aktuellen Entwicklung, vor allem sprachlich gesehen, im Rap und Hip-Hop?

Tobi Polar: Rapmusik war schon immer auch eine harte Musik. Als ich so alt war wie meine älteren Schüler heute, habe ich auch Rap gehört, der Battle-Charakter hatte und mit Vom-Bordstein-Zur-Skyline-Klischees gespielt hat. Tatsächlich war der einzige Unterschied, dass es diese Art von Musik damals nur in den USA und Frankreich gab. Dabei macht der sprachliche Unterschied schon etwas aus. Ich finde bis heute, wenn jemand etwas auf Deutsch sagt, ist die Wirkung extremer als in einer Fremdsprache. Insbesondere wenn jüngere Kinder das hören, und das fängt ja meist schon in der 5. Klasse an, finde ich das zum Teil schon heavy. Und das hinterlässt tatsächlich auch Spuren. Wenn du den ganzen Tag hörst, das Tilidin werfen super geil ist, Frauen bestenfalls eine Rolle als attraktive Geschlechtspartnerinnen zugestanden wird und Kriminalität eine veritable Möglichkeit darstellt, um dein Einkommen zu sichern, dann geht das nicht spurlos an einem jungen Geist vorbei, zumindest, wenn man nicht die nötige Reflexionsfähigkeit oder einen stabilen sozialen Rückhalt hat, der einem andere Werte als schnelle Autos und rumprotzen vermittelt. Aber ich will das auch nicht zu hart bashen. Das Angebot befriedigt auch hier offensichtlich nur eine Nachfrage und wer bin ich, mich gegen den Zeitgeist zu stellen?

Wissen deine Schüler, dass du nebenbei Rap-Musik machst?

Tobi Polar: Ja, meine Schüler wissen das und die finden das auch cool, obwohl die schon zu alt für meine Musik sind. Ich glaube, privat hören Sie das nicht so, aber Sie feiern schon, dass sie einen Lehrer haben, der Musikvideos dreht und so Geschichten. Kindermusik kann schnell auch peinlich wirken, wenn man versucht sich den Kids damit anzubiedern, aber unsere Mukke schafft da den Spagat offensichtlich so gut, dass sich daraus auch nicht irgendwelche Angriffsflächen ergeben, die zu Provokationen führen. Im Gegenteil: Meist sagen mir eher Schülerinnen und Schüler auf dem Gang, wenn sie mein neuestes Lied mögen.

Tauschst du dich als Lehrer mit ihnen auch über Musik aus oder ist das kein Thema?

Tobi Polar: Klar erzählen mir Schülerinnen und Schüler immer mal wieder, welche Künstler sie gerade pumpen. Da ich aber sowieso auch noch als DJ arbeite, überraschen sie mich höchst selten mit jemandem, den ich nicht kenne. Im Gegenteil, meist bin ich der, der den Untergrund noch besser scannt, als mein Kids.

Was kann man von Tobi Polar in Zukunft noch erwarten? Wird es weiterhin nur Musik für Kinder geben oder planst du, vielleicht nochmal einen Song oder ein Album für die „Großen“ zu machen?

Tobi Polar: Wir haben tatsächlich schon ein ganzes Album fertig geschrieben und ich bin momentan in Verhandlungen mit einem Partner, um dieses noch 2022 zu veröffentlichen. Bis es so weit ist, können sich alle Fans von Tobi Polar aber sicher noch auf die ein oder andere Single freuen. Außerdem spielen wir dieses Jahr endlich wieder live und sind schon für ein paar Konzerte gebucht. Und zum Thema „Erwachsenenmusik“: Sag niemals nie, aber aktuell bin ich mit meinen vielen Projekten sehr gut ausgelastet.

 

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