Eine erfolgreiche Kommunikation basiert ganz klar auf Transparenz, Glaubwürdigkeit und fundierten Tatsachen.
Mit ihrem Studio für Brand Design beraten Ingo Hübner und Katrin Huber Unternehmen und Marken in Sachen nachhaltiger Kommunikation. Erst vor kurzen haben die beiden Unternehmer in Zusammenarbeit mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) eine Umfrage durchgeführt, um ein Stimmungsbild zu erhalten, wie Konsument:innen Nachhaltigkeit und Marken heutzutage beurteilen. Das Ergebnis dessen wurde im KREATED Nachhaltigkeitsmagazin 2021 veröffentlicht. Im Generic Interview sprachen wir mit den beiden Experten für nachhaltige Markenkommunikation darüber, welchen Aufgaben sich Marken dabei stellen müssen.
Herr Hübner, Sie selbst sagen, dass Marken Nachhaltigkeit als Prinzip und nicht als kurzfristigen Hype verstehen sollten. Wann ist für Sie eine Marke wirklich nachhaltig?
Ingo Hübner: Für mich integrieren erfolgreiche Marken Nachhaltigkeit in ihre Unternehmensstrategie, leben diese in allen Bereichen und bleiben transparent. Sie verfügen über ein ganzheitliches Nachhaltigkeitsverständnis und definieren Werte, die über einzelne Produkteigenschaften hinausgehen. Die Integrität im Thema Nachhaltigkeit ist durch ehrliches Bemühen und stimmiges Handeln zu beweisen und glaubwürdig zu vermitteln. Dabei ist der wichtigste Schritt in eine nachhaltige Zukunft: vom Müssen ins Wollen und damit ins Tun zu kommen.
Während des Lockdowns haben laut dem Global Consumer Insights Pulse Survey 2021, für den PwC u.a. mehr als 500 Konsument:innen in Deutschland befragt hat, viele Konsument:innen die Zeit genutzt, um ihren Lebensstil auf Nachhaltigkeit zu überprüfen. Viele haben daraufhin ihr Kaufverhalten geändert. Wie können oder gar sollten Marken darauf jetzt reagieren?
Ingo Hübner: Ich denke, dass Marken die Chance des Wahrnehmungs-Shifts erkennen und Nachhaltigkeit als Herzensangelegenheit und nicht nur als weiteren Bestandteil des Geschäftsmodells annehmen sollten. Somit muss Nachhaltigkeit als Innovationstreiber und Wertekompass bewusst in die Unternehmensstrategie integriert werden. Menschen wollen heute verstärkt Marken konsumieren, die ihre eigenen Werte widerspiegeln. Und sie wollen mit ihrem Kauf Verantwortung übernehmen und Haltung zeigen.
Auch Ihrer Studie in Zusammenarbeit mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) hat gezeigt, dass Konsument:innen sich mehr Nachhaltigkeit wünschen und das vor allem von etablierten Marken. Dennoch haben viele große Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit noch nicht angepackt. Wird das Thema noch vernachlässigt oder einfach falsch angegangen?
Katrin Huber: Etablierte Marken stecken in einem gefühlten Nachhaltigkeits-Dilemma. Zum einen verdienen sie noch das Gros mit Produkten durch herkömmliche Produktionsprozesse und Lieferketten, die sich auch nicht so schnell durch nachhaltige Aspekte umstellen lassen. Zum anderen wollen sie Nachhaltigkeit sukzessive im Unternehmen integrieren. Dies führt zu einer eher passiven Haltung und Verlangsamung der Bemühungen in Richtung nachhaltiger Unternehmens- und Markenführung. Etablierte Marken müssen sich eindeutig bekennen und wie schon gesagt, durch ihre Aktivitäten und Handlungen Integrität im Thema Nachhaltigkeit beweisen.
Ingo Hübner: Zudem fehlt tatsächlich gerade im Mittelstand noch das Know-how, das Thema strategisch anzupacken und zu implementieren. Laut der Commerzbank Studie “Mittelstand” verfügt nur ein Drittel der Unternehmen über eine Nachhaltigkeitsstrategie, wobei 80 Prozent der Unternehmen Nachhaltigkeit als entscheidend für die eigene Zukunftsfähigkeit und den dauerhaften Erhalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ansehen.
Wenn es um das Vertrauen und die Nachhaltigkeit geht, setzen die Teilnehmer:innen Ihrer Stichprobe beim Konsum vor allem auf Marken von nachhaltigen Start-ups. Etablierte Unternehmen haben es hier schwerer, das Vertrauen der befragten Konsument:innen zu erlangen. Woran liegt das und hat das Ergebnis Sie überrascht?
Katrin Huber: Für mich agieren etablierte Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit noch zu verhalten und eher partiell in der Berücksichtigung und Ausführung. Sie bekennen sich meist nur in Segmenten zu nachhaltiger Unternehmensführung, wobei sogenannte nachhaltige Startups das Prinzip als Unternehmenszweck verfolgen.
Ingo Hübner: Und es fehlen meistens konkrete relevante und innovative Angebote etablierter Unternehmen, bei denen die Konsument:innen tatsächlich in den Genuss kommen Nachhaltigkeit spürbar zu erleben und als attraktive Lösung anzunehmen.
In einer aktuellen Erhebung von McKinsey sagen sogar 75 Prozent der Deutschen, dass sie die Marke ihres bisherigen Vertrauens wechseln würden, wenn die Erwartungen nicht länger erfüllt werden. Ein klares Zeichen für einen gesellschaftlichen Wandel?
Ingo Hübner: Auf jeden Fall. Man könnte hier sogar von einem Paradigmenwechsel sprechen. Laut Zukunftsinstitut befinden wir uns in einem fundamentalen Wertewandel in Richtung Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit, bei dem das konventionelle Markenbewusstsein stark abnimmt. Marken müssen heute stärker mit den Überzeugungen und Wertehaltung der Generation übereinstimmen.
Katrin Huber: Tatsächlich entsteht Markenvertrauen nur dann, wenn die Menschen den Sinn des Engagements erkennen und diesem Glauben schenken. Das ist sozusagen das Eingangstor, die notwendige Bedingung, um überhaupt im Bedeutungshorizont beziehungsweise im Relevant-Set der zukünftigen Generation aufgenommen zu werden.
Die alte Erfolgsformel gutes Produkt, Identifikation und richtige Ansprache wird nun um die Komponente Nachhaltigkeit bzw. gesellschaftliche Verantwortung erweitert. Worauf müssen Marken in der Kommunikation zukünftig besonderen Wert legen?
Ingo Hübner: Eine erfolgreiche Kommunikation basiert ganz klar auf Transparenz, Glaubwürdigkeit und fundierten Tatsachen. Die Investition in Nachhaltigkeitskommunikation wirkt sich in jedem Fall positiv auf Unternehmens- und Markenimage aus und wird durch höhere Kundenloyalität belohnt. Zukunftsfähige Marken lösen sich sogar von herkömmlichen Zielsetzungen, wie der kurzfristigen Gewinnung von Kunden und werden zu aktiven Treibern von Veränderungsprozessen, auch jenseits von ökonomischen Gesichtspunkten. Sie werden zu Unterstützern des gesellschaftlichen Wandels, indem sie Gemeinschaften stärken und neue Nachhaltigkeitsstandards setzen.
Gibt es Unternehmen bzw. Marken, die das schon erkannt haben und als positives Beispiel voranschreiten?
Ingo Hübner: Hier ist sicherlich Patagonia zu nennen, als sogenannte Impact Brand, welche mit ihrem Handeln den Anspruch hat, die Gesellschaft und die Welt zu verändern. Auch die Kommunikation von Patagonia ist unkonventionell und oft auf den ersten Blick kontraproduktiv und geschäftsschädigend. Damit verkaufen die Kalifornier aber nicht nur sehr erfolgreich Outdoorbekleidung, sondern auch ein Image: Öko-Coolness für politisch korrekte Hipster.
In welchen Branchen gibt es den größten Nachhol- bzw. Verbesserungsbedarf zum Thema nachhaltige Markenkommunikation?
Katrin Huber: Letztendlich geht es ja bei dem Thema nachhaltige Markenkommunikation darum, dem Thema Strahlkraft und Relevanz zu verleihen. Das Thema auf die Bühne zu holen und zwar authentisch und glaubwürdig. Marken, die das Thema schon in ihrer DNA verankert haben und es ganzheitlich leben, können in der Markenkommunikation dem Thema stimmig und nahtlos Ausdruck verleihen. Marken, die sich auf der Reise in Richtung nachhaltiger Unternehmensführung befinden, verhalten sich jedoch kommunikativ meist noch verdeckt oder diffus.
Ingo Hübner: Ja, dann findet die Markenkommunikation ohne ein klares Bekenntnis zur Nachhaltigkeit statt. Die Branchen mit dem größten Nachhol- bzw. Verbesserungsbedarf zum Thema nachhaltige Markenkommunikation decken sich weitestgehend mit den Ergebnissen unsere Umfrage bezüglich der Relevanz von Nachhaltigkeit im Kaufverhalten der Konsument:innen. Hierbei bilden Finanzen und Versicherungen, elektronische Geräte, Medien und Kultur sowie Tourismus eher die Schlusslichter. Wobei im Fintech-Segment gerade mit neuen grünen Spielern wie etwa Robo-Advisor, Investment-Apps oder Banking-Anbietern attraktive und nachhaltige Angebote geschaffen werden.
Welche Fehler sollten innerhalb der Kommunikation von nachhaltigen Produkten unbedingt vermieden werden?
Katrin Huber: In puncto Ästhetik denken immer noch viele an Öko-Grün und braunes Ökopapier. Aber nachhaltiges Design unterscheidet sich dadurch von konventionellem Design, dass es weiß, was es tut – und warum es das tut. Nachhaltiges Design hübscht nicht nur Dinge zwecks besserer Verkaufbarkeit auf, sondern wendet sich den Herausforderungen zu, die wir auf einem begrenzten Planeten haben. Wieviel Natur, wieviel endliche Ressourcen verbrauchen wir? Dabei ist eine vielschichtige Herangehensweise erforderlich, um alle Aspekte der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen: Ökologische, soziale und ökonomische Kriterien. Eco Design ohne Abstriche an Ästhetik, Haptik oder Gebrauchsweise etabliert sich zu einem Kernthema modernen Designs.
Nachhaltigkeit wird vor allem für junge Menschen ein immer wichtigeres Thema. Wie können Unternehmen diese Zielgruppe in Zukunft am besten ansprechen?
Ingo Hübner: Indem sie menschlicher und nahbarer werden. Gerade junge Menschen haben das Bedürfnis nach unmittelbaren Erfahrungen, Selbstwirksamkeit und Teilhabe an größeren Anliegen. War die alte Markenwelt stark auf das einzelne Individuum ausgerichtet, gewinnen kollektive Identitäten immer mehr an Relevanz. Erfolgreich werden jene Marken sein, die es verstehen, Menschen zu Markenkollektiven zu binden und Gemeinschaften um geteilte Werte und Interessen aufzubauen.
Was in der Theorie einfach klingt, erfordert eine klare Strategie. Wie kann es Unternehmen gelingen, gerade dieses komplexe Thema Nachhaltigkeit für Endverbraucher leicht erfassbar zu machen und spannend aufzubereiten?
Ingo Hübner: Zunächst sollten Unternehmen für sich feststellen, welche Bedeutung Nachhaltigkeit für ihre Marke heute hat und welche es zukünftig haben soll. Dabei sollten folgende Aspekte angeschaut werden: Sind Markenpositionierung und Nachhaltigkeitsmaßnahmen glaubwürdig verbunden? Gehen wir einen Schritt weiter und wollen wir auch die Marke auf Nachhaltigkeit positionieren mit einem klaren und nachhaltigen Wertversprechen? Oder wollen wir in einem weiteren Schritt die Marke mit einer klaren Mission für die Welt auf Nachhaltigkeit positionieren? Diese Aspekte helfen Unternehmen ein Bewusstsein und Orientierung zu geben, auf welcher Stufe der Implementierung der Nachhaltigkeitsstrategie sie sich befinden und vor allem wo sie noch hinwollen.
Reicht es aus, wenn nur Marken bzw. Unternehmen in diese neue Richtung der Nachhaltigkeit bzw. der gesellschaftlichen Verantwortung denken und gehen?
Katrin Huber: Ich denke, Marken können eine Vorbildfunktion übernehmen, sozusagen als Leitstern einer Bewegung für nachhaltiges Handeln agieren. Um aber wirklich etwas Fundamentales zu erreichen, eine veränderte Denkweise zu implementieren, müssen alle Institutionen und handelnden Organisationen aus Politik, Wirtschaft und Medien an einem Faden ziehen und das Thema Nachhaltigkeit auf allen Ebenen mit Herzblut und Engagement vorantreiben.
Wie sieht ihre Zukunftsprognose zu diesem Thema aus? Was wird sich in den kommenden 5 Jahren ändern? Woran werden Marken besonders schwer zu knabbern haben oder was wird ihnen sogar schnell gelingen?
Ingo Hübner: Wir befinden uns auf einem guten Weg. Die Dringlichkeit zu diesem Thema rückt immer stärker in den Fokus der Gesellschaft und der Unternehmen. So werden insbesondere die Chancen erkannt, mit neuen Innovationen und einer nachhaltigen Lebensweise die Welt zu verbessern und den zukünftigen Generationen ein lebenswertes Leben zu ermöglichen. Ich gehe in fünf Jahren von einer verstärkten Implementierung der einzelnen Nachhaltigkeitsthemen aus. So werden wir im Bereich Mobilität auf eine bessere Ladeinfrastruktur bezüglich E-Mobilität zurückgreifen können, die Städte werden autofreie Konzepte vorangebracht haben und in ländlichen Regionen sollte der ÖPNV weiter ausgebaut sein. Auch durch die nachhaltigen Produktangebote des täglichen Bedarfs erfährt Nachhaltigkeit auf Seiten der Konsument:innen breite Akzeptanz und Wertschätzung. Grundsätzlich werden Unternehmen Nachhaltigkeit ökologisch, sozial und ökonomisch als ganzheitliches Asset verstanden und in Ihrer Unternehmens- und Markenführung etabliert haben. Das Thema wird im Bewusstsein vieler Menschen angekommen sein.
Vielen Dank, Katrin Huber und Ingo Hübner!
Für weitere Informationen:
Mareen Eichinger | macheete
E-Mail: presse@macheete.com