Mit seiner aktuellen Single „Tattooed“ veröffentlichte der Songwriter und Produzent Dezabel einen Song, den er seinen verstorbenen Eltern und all denen widmet, die einen geliebten Menschen verloren haben. Mit uns hat Bilgi alias Dezabel im Interview über seine Musik und seine Arbeit als Produzent gesprochen. Gerne stellen wir euch das Interview lizenzfrei zur Verfügung.
Eigentlich heißt du Bilgi, veröffentlichst deine Musik aber unter dem Namen Dezabel. Wie bist du auf den Namen gekommen?
Dezabel: Es ist eigentlich nur eine Wortspielerei zwischen Dezibel und Isabelle. Mit ihr habe ich Dezabel gegründet, aber nach dem Song „Ego“ haben wir uns im Guten getrennt, da unsere Vorstellungen in verschieden Richtungen gingen.
Bereits in den 90ern hast du deinen musikalischen Hintergrund an der Academy of Contemporary Music in Zürich erworben. Wie bist du eigentlich zur Musik gekommen?
Dezabel: Mein Vater war sehr musikalisch und hörte immer viel Musik. Ich war ein sehr verträumter Bub und die Musik half mir beim Träumen.
Im Zeitalter des Streamings kommen standardisierte Songstrukturen für dich nicht in Frage. Wie findest du die Inspiration für deine Produktionen?
Dezabel: Ich würde nicht sagen, dass sie nicht in Frage kommen, ich finde sie häufig einfach nur langweilig. Ich überrasche meine Zuhörer gerne, versuche sie aber nicht vor den Kopf zu stoßen. Also nach dem Motto, was erwartet der Zuhörer und wie bringe ich ein überraschendes Element rein, dass ihn dabei positiv überrascht. Das ist eine Gratwanderung und manchmal gehe ich vielleicht etwas zu weit. Musikkritiker sind sich dem, was ich mache bewusst und schätzen es auch, während ich zum Beispiel für öffentlich-rechtliche Radiosender oft nicht konform genug bin.
Für deine Songs arbeitest du mit Sängern aus den USA und Großbritannien zusammen. Wie wählst du die passende Stimme für deine Kompositionen aus?
Dezabel: Ich bin im Kontakt mit mehreren Künstlern und kenne ihr Repertoire recht gut. Für mich ist eigentlich nur eines wichtig: Welche Stimme passt zur Geschichte und unterstützt die Message. Ich versuche hier Sympathien zu den einzelnen Künstlern beiseite zu räumen, was nicht immer ganz einfach ist. Es ist auch häufig der Fall, dass ich den Song von mehreren Sängerinnen und Sängern aufnehmen lasse. Danach spiele ich ihn verschiedenen Kollegen und meiner Tochter vor. Ich frage nie explizit, welche Version sie besser fänden. Ich beobachte sie einfach ganz genau, um zu sehen wie ihr Körper darauf reagiert, zum Beispiel wirken sie nervös oder ungeduldig oder schließen sie ihre Augen.
Gibt es einen Musiker oder Sänger mit dem du gerne mal zusammenarbeiten würdest?
Dezabel: Oh ja, da gibt es ein paar. Mein allergrößter Traum wäre es, einmal mit Herbie Hancock etwas zu machen. Er ist mein Idol. Auch Sting würde ich nicht zwingend aus dem Studio werfen.
Deine letzte Veröffentlichung, die Single „Tattooed“, hast du deinen verstorbenen Eltern gewidmet. Was bedeutet dir der Song?
Dezabel: Der Song „Tattooed“ ist meine allererste Solo-Ballade. Ich habe bereits vor etwas mehr als zwei Jahren damit angefangen, aber mir fehlte einfach das gewisse Etwas. Ich bin sehr kritisch, aber auch selbstkritisch, wenn es um Songs geht. Im März ist meine Mutter gestorben und ich konnte aus der Trauer heraus weiter am Song arbeiten. Dieses Mal gelang es mir, die Texte so zu schreiben, dass es nicht nur um reine Trauer geht – er kann auch als Break-Up Song interpretiert werden. Kurzum, er ist für jeden, der einen geliebten Menschen vermisst.
Wie sehen deine Pläne für 2020 aus?
Dezabel: Ich möchte im Rhythmus von zwei Monaten einen Song herausbringen und versuchen, mehr radiotaugliche Songs zu schreiben. Besonders bei Radiosendern stoße ich auf Granit. Immerhin konnte ich letzte Woche die Aufnahme in den 40. Radiosender feiern. Das Schöne dabei ist, dass es Sender aus der ganzen Welt sind, von Namibia bis Norwegen und von Chile bis nach Australien. Sender in Deutschland machen mit sechs Sendern den zweitgrößten Anteil aus, neben den USA mit acht Sendern. Auf SRF Virus, einem öffentlich rechtlichen Sender aus der Schweiz, wurde meine Single „When It Comes To You“ sogar als „Song der Woche“ gefeiert, was mich natürlich sehr gefreut hat.
Gibt es etwas, das du angehenden Songwritern und Produzenten mit auf den Weg geben möchtest?
Dezabel: Ich bin jemand, der überhaupt nicht gerne predigt, aber eines ist mir aufgefallen: Viele der Musiker versuchen sich selbst über Musik zu finden und denken, ich werde schon entdeckt. Nein – das ist nicht so, zumindest in den wenigsten Fällen. Das Musikgeschäft ist leider knüppelhart und verlangt nach Fleiß, Selbstdisziplin, Durchhaltevermögen und einer unheimlich dicken Elefantenhaut. Es kommt noch hinzu, dass ich Songs schreibe, mit denen ich eine gewisse Masse ansprechen kann. Das kann ich auch tun, ohne mich prostituieren zu müssen.
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Luisa Ney | macheete
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